Sommer-Interview Trilogie Teil 3
Frage:
Dein Sohn Finn spielt seit Kindertagen bei der SG, obwohl ihr in Remchingen wohnt. Warum habt ihr Finn bei der SG angemeldet?
Ulf Meißner:
Ich bin seit Ewigkeiten in der Vereinsleitung und im Vorstand aktiv und kenne somit die gute Jugendarbeit der SG. Deswegen haben seine beiden älteren Brüder auch ihre ersten Schritte bei der SG gemacht. Und da war dann natürlich auch klar, dass Finn ihnen folgt.
Frage:
War sein Talent für dich als Handballkenner schon früh erkennbar?
Ulf Meißner:
Ja, aber anders als vermutet. Er hat als Torhüter begonnen und hatte da schon sensationelle Bewegungen drauf. Aber da wir in der E-Jugend schon sehr dominant waren, kamen kaum Bälle aufs Tor und es wurde ihm zu langweilig, also wollte er im Feld spielen. Allerdings warf er, obwohl er Linkshänder ist, mit rechts und wollte dies auch nicht ändern, was ich aber zur Bedingung gemacht habe. Es sind dann viele Tränen geflossen und etliche Übungsstunden im heimischen Hobbykeller, aber am Ende hat es sich gelohnt. Spätestens ab der D-Jugend war auch sein Talent im Feld erlebbar. Wobei Talent das eine ist, Ehrgeiz die zweite wichtige Komponente und damit ist er reichlich bestückt. Ihm ist kein Training zu viel. Eventuell liegt es daran, dass er schnell mit seinen beiden älteren Brüdern auf Augenhöhe sein wollte.
Frage:
Dein Sohn Finn hat eine überragende Saison in der B- und A-Jugend gespielt. Das blieb sicherlich anderen Vereinen nicht verborgen?
Ulf Meißner:
Nein, das blieb es nicht. Es haben sich einige namhafte Vereine gemeldet und wollten Finn zu sich holen.
Frage:
Mit welchen Argumenten?
Ulf Meißner:
Es wurde mit den Vorteilen eines Internats argumentiert oder auch mit der Möglichkeit, mal mit der Bundesligamannschaft zu trainieren.
Frage:
Du bist gleichzeitig Vater von Finn und SG-Vorstand. Ist es da nicht besonders schwer, weil Du zwei Hüte tragen musst?
Ulf Meißner:
Interessenkonflikte kann es ständig geben. Aber das war in diesem Fall keine wirkliche Problemkonstellation. Finn ist in einem Alter, in dem er solche Entscheidungen selbst treffen kann und auch muss. Und er hat diese Entscheidung auch alleine getroffen. Natürlich haben wir in der Familie ausführlich darüber geredet.
Frage:
Finn hat sich entschieden, in Pforzheim zu bleiben. Was waren die entscheidenden Gründe?
Ulf Meißner:
Da gab es ein paar Punkte, die das Pendel zu Gunsten der SG haben ausschlagen lassen:
Schule: Finn möchte sein Abitur im hiesigen Schulumfeld absolvieren und nicht in ein anderes Bundesland wechseln
Familie: Die Nähe zur Familie sowie zu seiner Freundin und deren Familie. Das Aufwachsen in einem geborgenen Umfeld ist nicht zu unterschätzen, wenn es darum geht, sich auf das Handballspielen konzentrieren zu können.
Spielpraxis: Alles, was Finn an Leistung erbringt, hat er, neben seinem eigenen sehr großen Ehrgeiz, der SG bzw. seinen Trainern zu verdanken. Er hat als E-Jugendlicher in der D-Jugend gespielt usw. Ihm wurde immer Verantwortung für den Erfolg übertragen. Ich denke nicht, dass in einem Internat bei einem Profiverein diese Förderung möglich gewesen wäre. Denn da spielen ja auch Top-Leute in den entsprechenden höheren Jugenden. Mit Videocoaching und mehr Trainingseinheiten hätte die Entwicklung sicherlich nicht gelitten, aber als jemand der Grundkenntnisse im Handball hat, sage ich auch, dass nichts über Spielpraxis geht, wohlgemerkt natürlich hochwertige Spielpraxis. Und die bekommt er hier in Pforzheim.
Der Trainer: Mit Alexander Lipps hat er hier bei der SG einen tollen Trainer, von dem er noch viel lernen kann und bei dem er spürt, dass er ihn behutsam, aber gezielt fördert. Und ich persönlich ergänze, dass Alex hier einen Riesen-Job macht. Als Amateurverein sind wir Gründungsmitglied der A-Jugendbundesliga und spielen dort seit 2011 ununterbrochen mit. Und dies gegen Profivereine, die mit Internatsstrukturen aus dem Vollen schöpfen können. Das ist nicht nur beachtlich, sondern zeigt, dass Alex mit wenig Mitteln und wenig Zeit junge Spieler schnell entwickeln kann. Und auch an der bisherigen Entwicklung von Finn hat er ja durchaus einen hohen Anteil.
Frage:
Die Spieler, die in der Jugend ein so hohes Niveau erreichen, bleiben aber meist nicht lange in Pforzheim. Wie sehen die Pläne von Finn denn aus?
Ulf Meißner:
Sicherlich träumt Finn auch von einer Profi-Karriere. Und welcher 16-jährige auf diesem Niveau macht das nicht. Doch er weiß sehr genau, dass es da viele Hürden gibt. Er setzt sich eher kurz- bis mittelfristige Ziele und das ist auch richtig so. Vor einer Profikarriere muss er sich erst einmal in die Herrenmannschaft in der 3. Bundesliga reinspielen und dort überzeugen. Erst dann muss er sich über nächste Schritte Gedanken machen. Sein Name steht sicherlich in einigen Notizbüchern, aber da ist er auch sehr schnell gestrichen, wenn der nächste Schritt nicht gegangen wird.
Leider ist Handball nicht Fußball - was ich übrigens überhaupt nicht verstehen kann - und ein Vertrag bei einem Zweitligisten ermöglicht ein Auskommen, aber nicht mehr. Er muss dann irgendwann zwischen handballerischer und beruflicher Karriere gut abwägen.
Frage:
Da klingt durch, dass Du den Handball benachteiligt siehst?
Ulf Meißner:
Benachteiligt ist das falsche Wort. Ich kann die Zuschauer nicht verstehen. Da schaut man sich 90 Minuten Fußball an und erlebt vielleicht 8-10 Minuten Spannung, wo es in die Strafräume geht, sonst wird der Ball nur hin und her geschoben. Beim Handball ist ständig Action. Von Spannung will ich gar nicht reden. In der Handball-Bundesliga kann jeder jeden schlagen. Ein Rückstand von sechs Toren bedeutet gar nichts. Und das i-Tüpfelchen war diese Saison die 2. Bundesliga, in der kurz vor Saisonende noch der Tabellen-Siebte abstiegsgefährdet war. Also ich schaue mir lieber auf DYN ein Spiel der 2. Handball-Bundesliga an als bei SKY ein Spiel der 1. Fußball-Bundesliga.
Vielen Dank für das Interview.